Gehören Sie auch zu den Menschen, die ihren Urlaub gerne in Südeuropa und am Mittelmeer verbringen? Dann kennen Sie das oft traurige Bild der Straßenhunde: Struppige, dünne Vierbeiner, oft mit sichtbaren Hautkrankheiten oder Parasiten geschlagen. Sie leben in Rudelverbänden irgendwo abseits oder schleichen allein durch die Straßen, sind oft scheu, manchmal aber auch dreist und betteln offen um Futter. Viele Urlauber sehen weg, viele füttern die Streuner, nehmen Kontakt zu ansässigen Tierschutzorganisationen auf oder „retten“ den einen oder anderen Straßenhund aus seiner misslichen Lage…
Damit kommen wir zu einer Frage, die Tierfreunde schnell in zwei Lager spaltet: Helfen wir diesen Fellnasen wirklich, wenn wir sie zu uns nach Deutschland, in die Schweiz oder andere Länder holen, wo sie ein neues Zuhause bekommen sollen? Ist dies in allen Fällen wirklich die beste Lösung? Oder sollten die Strassenhunde besser da bleiben, wo sie zuhause sind…?
Beleuchten wir die Frage mal von beiden Seiten. Fakt ist, dass es vielen Strassenhunden — wo auch immer– nicht wirklich gut geht. Sie werden ge- und verjagt, nach Möglichkeit von amtlichen Hundefängern eingefangen und in Tötungsstationen verfrachtet, wo sie auf höchst unschöne Art und Weise sterben. Sie werden angefahren und im Strassengraben liegengelassen, es wird auf sie geschossen… die Liste ist lang.
In vielen Ländern sind gut organisierte Tierschützer vor Ort, die sich der „Outlaws“ soweit es geht annehmen, sie selber einfangen oder aus den Tötungsstationen auslösen und auf ihre dortigen Pflegestellen verteilen. Von dort werden viele von ihnen zu uns vermittelt und finden ein schönes, neues Zuhause.
Aber schauen wir uns doch auch die andere Seite an: was würde mancher Hund dazu sagen, wenn er gefragt würde? Der nach z.B. nach Deutschland gebracht und im besten Fall gleich in ein schönes neues Zuhause weitervermittelt wird. Hier ist er, der bisher seine Freiheit hatte, plötzlich 22 oder gar 23 Stunden am Tag in einer Wohnung eingesperrt. Materiell gesehen mangelt es ihm an nichts, auch nicht an Zuwendung und Liebe… Aber die Freiheiten und vor allem das Zusammenleben mit seinen Artgenossen in einem intakten Rudelverband kann ihm weder der beste Luxus und auch nicht die größte Liebe seitens der Menschen ersetzen.
Für den Hund bedeutet das: statt Freiheit und Selbständigkeit Leinenzwang und Gehorsam. Und anstelle eines funktionierenden Sozialverbandes auf der Straße, in dem jeder seinen Rang kennt und man sich respektiert, nun unbekannte Zweibeiner, die ihn in Verwirrung stürzen, weil sie nicht klar und deutlich kommunizieren können….
Hat man sich dazu entschlossen, einen „Outlaw“ in seiner Familie aufzunehmen, muss man sich dessen bewusst sein, dass es mit diesem Vierbeiner unter Umständen wirklich nicht einfach sein könnte. Ich drücke mich deswegen so vorsichtig aus, weil ich sehr viele Süd- Südost – und Osteuropäer in meiner Hundeschule hatte und heute bei meinen Mantrailern habe, die auch nicht problematischer waren oder sind, als „einheimische“ Hunde. Es braucht vielleicht etwas mehr Zeit und Geduld seitens des Menschen. Und vor allem Verständnis, denn möglicherweise kommt er an Grenzen, die der Hund ihm deutlich zeigt. Ich meine damit nicht, dass er ihn bedroht oder etwas in der Art. Nein, ich meine die emotionale Grenze, wenn der Mensch einsehen muss, dass sein Hund keine tiefere Bindung zulässt – sich den Zweibeiner in sicherem Abstand hält. Oder, dass er einfach „erziehungsresistent“ erscheint, wenn er „Sitz und Platz einfach nicht kapiert“. Vielleicht hat dieser Hund nur schmerzlich lernen müssen, dass entspanntes Sitzen oder Liegen gefährlich für ihn sein kann…
Ich möchte hier um Himmels Willen nicht den Eindruck erwecken, ich hätte etwas gegen die Rettung der „Outlaws“ – im Gegenteil: ich freue mich für jede geplagte Fellnase, die es schafft, hier ein neues Zuhause zu finden. Die zu liebevollen Menschen vermittelt wird, die ihr beim Einstieg in unsere „zivilisierte“ Welt mit Geduld, Verständnis und der nötigen Konsequenz begleiten (und einem kompetenten Trainer natürlich 🙂 ) Aber es sollte von Fall zu Fall – von Hund zu Hund gut überlegt werden, ob es sinnvoll ist, ihn zu „zivilisieren“ – oder ob er vielleicht doch besser in seiner gewohnten Umgebung belassen wird…..