Irene und Wilma stehen zum Trail-Start bereit. Sie wird von einem Passanten auf die Kennzeichnung ihrer Warnweste angesprochen und erklärt freundlich, dass Wilma zum Personen-Suchhund ausgebildet wird. Der Passant schaut die beiden an und gibt dann folgenden, verletzenden Kommentar ab:
„Pfffft. So ein Hund kann das doch nicht….“ Denn Wilma ist ein Mops…..
… und eine begeisterte und sehr erfolgreiche Trailerin….
Eine junge Frau, geht mit ihrem elfjährigen Sohn und ihrer Hündin Emmi spazieren. Ihr kommt ein älteres Ehepaar entgegen. Als sie auf gleicher Höhe sind, wird sie von dem Mann angesprochen: „Das ist ja wohl verantwortungslos von Ihnen, sich mit einem Kind so einen Hund anzuschaffen“. Emmi ist ein Rottweiler….
Ein junger Mann war mit seinem zweijährigen Rüden bei mir im Unterricht. Er war an beiden Armen tätowiert, trug schwarze Klamotten und Stiefel, hatte eine Glatze. Sein Rüde war eine Seele von Hund. Trotzdem wurden wir von vielen anderen Passanten (mit und ohne Hund) schräg angeschaut. Der Rüde war ein Old English Bulldog….
Drei Beispiele, die eindrücklich zeigen, wie unsere lieben Mitmenschen, egal ob Hundehalter oder nicht, in Rastern denken und nicht willens oder fähig sind, über den Tellerrand hinaus zu schauen.
Warum sollte ein Mops oder ein anderer Kleinhund z.B. nicht trailen können?? Warum hält sich immer noch hartnäckig in den Köpfen die Meinung, kleiner Hund gleich Schoßhund und zu nichts anderem zu gebrauchen?? Seine Aufgabe ist es, nur niedlich zu sein und seiner Halterin das Herz zu wärmen.
Wenn er die Nachbarschaft morgens oder abends mit seiner durchaus kräftigen Stimme traktiert, wird es oft abgetan: „Der sagt doch nur guten Morgen oder gute Nacht…“ Aber wehe, der Hund gehört nicht mehr in die Schublade „niedlicher Kleinhund“, sondern hat eine stattliche Schulterhöhe von ca. 6o cm und bellt mit seiner eventuell tiefen Stimme zu genau den gleichen Zeiten. Dann heißt es: „Kann der nicht mal die Klappe halten“ oder „…das klingt aber unfreundlich….“
„Erziehen muss man so einen Zwerg ja auch nicht, denn der tut doch prinzipiell nichts. Wenn er mal ein bisschen bellt und hinter jemandem her rennt… was soll´s?? So ein süßer kleiner Hund kann ja nicht richtig beißen.“
Ich habe in meiner langjährigen Praxis mehr als einen Zwerg im Unterricht gehabt, der gezielt nach Hund und Mensch gehackt hat. Und meistens grundlos, einfach, weil sie bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sie zu mir kamen, keine Regeln kennengelernt hatten sondern mehr oder weniger tun und lassen durften, was sie wollten.
Und warum, bitteschön, ist ein Rottweiler, Dobermann, Schäferhund, Stafford Terrier, Bullterrier ….. und deren Mixe grundsätzlich bösartig??
Einen ganz großen Anteil an der Abneigung vieler Menschen gegen gewisse Rassen haben die reißerischen, einseitigen Berichterstattungen der Medien mit Überschriften wie:
„Rottweiler beißt Kind (5) ins Gesicht“ – „Kampfhund tötet anderen Hund vor den Augen des Besitzers“ – „Schäferhund reißt seinem Frauchen das halbe Bein ab — Amputation“ …..oder ähnliches.
Ich möchte hier nichts beschönigen, ein Beissunfall ist immer eine böse Sache und unnötig. Aber fairer wäre es, die Hintergründe, die zu den Vorfällen führen, genauso kritisch zu beleuchten. Denn dann käme vielleicht ans Tageslicht, dass das Kind und der Rottweiler ohne elterliche Aufsicht im Garten gespielt haben, das Spiel etwas heftig wurde und schließlich außer Kontrolle geriet. Oder dass das Kind dem Hund weh tat .
Dann würde die Schlagzeile heißen müssen
„Weil Eltern das Spiel zwischen Kind und Hund nicht beaufsichtigten, kam es zu einem tragischen Unfall.“ Oder so ähnlich.
Aber es ist doch so viel einfacher zu sagen, der Hund ist gefährlich (die Nachbarn haben es ja immer schon gewusst), als die Menschen mit in die Verantwortung zu nehmen. Und die Vorurteile und Klischees zu bedienen. Man erreicht ja auch viel mehr Leser damit…..
Ich möchte nicht nur die Nachrichtenmedien ansprechen, sondern auch die Autoren von Büchern und Drehbüchern. Welche Hunderassen müssen immer herhalten, wenn es darum geht, Bösartigkeit darzustellen?? In vielen Fällen ist es der Dobermann, der ein Gelände bewacht. Der den „guten“ Detektiven, – der nachts unbefugterweise über den Zaun klettert — an denselben stellen und nicht mehr weglässt, bis der Hundeführer kommt. Oder der Menschen durch den Wald hetzt, sie niederspringt, um sie dann totzubeissen.
Genauso schlimm ist es mit den „Guthunden“, die ihren Menschen helfen, ihnen nur Freude machen und sie aus sämtlichen Gefahren retten. Nicht jeder Collie ist eine „Lassie“ und nicht jeder knuddeliger Mischling ein „Boomer“.
Aber in den Köpfen vieler Menschen muss jeder Collie so toll sein wie „Lassie“, jeder Bernhardiner so aufgestellt wie „George“ und jeder Mischling ebenso gewitzt wie „Boomer“. Das Resultat dieser Denkweise ist oft niederschmetternd: Da werden Hunde angeschafft mit dem Bild im Gedächtnis aus Buch, Film und Fernsehen, dann merkt der Mensch, dass sein Vierbeiner eben nicht dem Idealbild der Telemedien entspricht und die Enttäuschung ist vorprogrammiert. Nicht selten landen diese „Enttäuschungen“ dann im Tierheim…
Dass auch das Äußere des Menschen bei vielen Menschen auf Vorurteile stößt, ist ein alter Hut, von dem sich niemand ausnehmen kann. Aber wenn dann zu einem bestimmten äußeren Erscheinungsbild der passende Hund kommt, ist die Ablehnung perfekt. Ich kenne einige Menschen, deren Kleidung und Auftreten sie in bestimmten Kreisen vermuten lässt, mit den dazu passenden Hunden, die aber „gutbürgerlich“ sind und einfach nur Spaß an nicht angepasster Kleidung haben und die gewissen Hunderassen eben toll finden. Ohne irgendwelche Hintergedanken. Die haben nur die anderen…
Ganz hässliche Kommentare müssen sich unter Umständen auch diejenigen anhören, deren äußeres Erscheinungsbild nicht zum Hund passt. Sie sind die netten Nachbarn, die einen Mittelklassewagen fahren, ein oder zwei wohlgeratene Kinder haben, einer geregelten Arbeit nachgehen, unauffällig und ruhig sind. Sie grüßen auf der Straße und bringen der alten Dame im Nachbarhaus regelmäßig den Einkauf mit. Sie sind akzeptierte Nachbarn – bis zu dem Moment, in dem ein „Kampfhund“ bei ihnen einzieht… „warum musste es ausgerechnet soo ein Hund sein..?“ – „Kind, geh denen aus dem Weg, die haben einen gefährlichen Hund…“ Im besten Fall wird das anfängliche Misstrauen durch den ersten Nachbarn abgebaut und andere folgen, im schlimmsten Fall ist die Familie in der Straße geächtet und alle wollen schon vorher gewusst haben „dass mit denen irgendwas nicht stimmt….“
Ein ganz großes Vorurteil bei – vor allem, aber nicht nur bei Nichthundehaltern – ist die Farbe. Mal ehrlich, wer kennt es nicht aus der Kindheit: Schwarz ist gleich…. gefährlich.
„Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ war beliebtes Spiel. „Knecht Ruprecht“ an der Seite des Weihnachtsmannes wird sehr oft als dunkel beschrieben. Dunkelhäutige Mitmenschen werden leider heute noch vielerorts kritisch und mit Abstand beäugt.
Und so sind auch schwarze Hunde in den Köpfen vieler Menschen, ob nun Hunde- oder Nichthundehalter, gefährliche oder doch wenigstens mit sehr großer Vorsicht und viel Abstand zu genießende Vierbeiner. Gibt es irgendwo eine Diskussion zwischen zwei Hunden und einer davon ist schwarz, hat der oft von vornherein schon die berühmte A-Karte gezogen. Egal, wie friedlich er sonst ist, egal ob der andere die Diskussion angezettelt hat: Schwarz ist Schuld.
Viele Hunde bleiben nur aufgrund ihrer Größe oder Farbe in den Tierheimen sitzen.
Die ungünstigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Vermittlung solcher Hunde sind etwa Schäferhundausmaße und schwarzes Fell. Yucon – mein leider schon verstorbener Rüde – saß vier Monate in „Haft“, keiner hat sich für ihn interessiert (zu unserem Glück). Er war eine gelungene Mischung aus Schäferhund, Collie und Hovawart (den Rest verschwieg er).
Ich machte mit meinen beiden ersten Vierbeinern – zwei Schäferhunden — die gleiche Erfahrung: Leila wurde als schwarze Hündin im Bogen umgangen, obwohl sie diejenige war, die offen und freundlich auf jeden Menschen zuging, Arec sah aus wie „Kommissar Rex“ und jeder wollte ihn anfassen. Ihm wiederum war das unangenehm…. aber er hat es ertragen…..
Wer blond ist, hat es oft leichter im Leben: Nicht umsonst werden blonde Frauen immer noch vor ihren dunkelhaarigen Geschlechtsgenossinnen bevorzugt.
Blonde oder sonst helle Hunde werden von der Umwelt als freundlich wahrgenommen, man kann sie einfach ungefragt anfassen (man meint es jedenfalls) Das geht solange, bis ein Blondie klar und deutlich sagt: „Hände weg…“ Und wenn es die Fellnase nicht sagt, sollte das ihr Mensch tun…..
Mehrhundehalter sehen sich auch oft mit dem Klischee „asozial“ konfrontiert. Wenn jemand viele Hunde hat, dann kann da irgendwas nicht so ganz richtig sein. Und überhaupt, wie bekommen die Nachbarn denn so viele Mäuler satt?? Und können die das zeitlich überhaupt stemmen, das bleibt doch die Erziehung auf der Strecke, um so viele Hunde kann man sich doch gar nicht richtig kümmern?? Habe die denn wohl genug Geld für all die Ausgaben??
Zugegeben, manchmal stimmen diese Gedankengänge ja und dann wäre es gut, unser Tierschutz hätte ein paar Rechte mehr, es bliebe vielen viel Leid erspart. Darunter zu leiden haben aber auch diejenigen, bei denen alles im Lot ist. Aber was würde die liebe Nachbarschaft machen, wenn sie nichts hätte, worüber sie „diskutieren“ könnte….