Kein Thema wird in der Hundeszene wohl so kontrovers diskutiert wie die Kastration bei Hunden. Ich möchte mich hier an den vielfältigen Meinungen nicht beteiligen, sondern einmal sachlich über das Thema informieren. Eigentlich ist durch das Tierschutzgesetz bereits alles gesagt, deshalb hier ein Textauszug: Deutsches Tierschutzgesetz § 6: (1) „Verboten ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres.“

Da die chirurgische Kastration immer das Entfernen eines – meist gesunden – Organs darstellt, wäre das Thema damit eigentlich vom Tisch. Aber immer wieder höre ich, dass Tierärzte Hundehaltern raten, den Hund bereits im Junghundealter oder während der Pubertät zu kastrieren. Die Hündin vielleicht noch spätestens nach der ersten Läufigkeit, aber doch besser vorher. Rüden sowieso, je eher desto besser. Darauf gibt es nur eine Antwort: Frühkastrastionen sind indiskutabel…Punkt. Gerade in der Pubertät sind die Hormone zur Entfaltung der Persönlichkeit wichtig.

Es gibt nur wenige Ausnahmen, in denen das Tierschutzgesetz die Kastration zulässt. Nämlich dann, wenn der Eingriff aus konkreter tierärztlicher Sicht indiziert ist. Bei Tumoren, Prostatavergrößerungen, Pyometra (Gebärmuttervereiterung). Oder wenn sie aus verhaltensbiologischer Sicht notwendig ist: die Hündin neigt zu extremer Scheinträchtigkeit, bzw. Scheinmutterschaft, der Rüde bügelt hormongesteuert alles unter, was nach „Konkurrenz“ aussieht, oder stellt im Hormonschub seinen Menschen in Frage…. Aber Vorsicht: Nicht alle Verhaltensproblem werden durch eine Kastration gelöst. In bestimmten Fällen kann sie zwar schon eine Besserung für alle Beteiligten bringen. Dies muss aber vorher unbedingt im Einzelfall genauestens geprüft werden, denn eine chirurgische Kastration ist nun mal irreversibel!

Durch eine Kastration und der damit verbundenen Störung im Hormonhaushalt kann es zu gravierenden Veränderungen oder zu Manifestationen von vorhandenem Verhalten kommen. So kann sich z.B. aggressives Verhalten verstärken, vorhandene Unsicherheit und Ängstlichkeit zunehmen. Es wurde bei kastrierten Hunden auch ein verstärktes Jagdverhalten beobachtet.

Die Ansicht, dass kastrierte Hunde leichter erziehbar sind, kann ich auf Grund meiner Erfahrungen nicht bestätigen.

Dass eine Kastration durchaus auch negative gesundheitliche Folgen haben kann, wird – aus welchem Grund auch immer – verschwiegen. Am ehesten ist bei den Hundehaltern die Gewichtszunahme bekannt und das allein zieht schon eine ganze Menge Gesundheitsrisiken nach sich. Auch die Inkontinenz bei Hündinnen (und bei Rüden) ist oft noch bekannt. Aber welche Folgen der Eingriff auf den Stoffwechsel, den Bewegungsapparat, das Fell und das Gehirn haben kann, ist Otto Normalhundehalter oft unbekannt. Es sei denn, er hat einen vernünftigen Tierarzt oder Hundetrainer, der ihn umfassend aufklärt.

Auch bei diesem Thema zeigt es sich mal wieder, dass es selten sinnvoll ist, wenn der Mensch in natürliche, biologische Funktionsabläufe eingreift. Nein ich gehöre nicht zur „rosa Socken Gemeinschaft“, die Kastration komplett verteufelt, aber zu denjenigen, die sich vor so einem schwerwiegenden, irreversiblen Eingriff umfassend informieren. Ich wünsche mir für die Fellnasen, dass mehr Junghunde ihre Persönlichkeit voll und ganz entfalten dürfen, dass die zu schnellen Entscheidungen zur Kastration von vernünftigem Denken, gepaart mit Wissen, Verständnis, Rücksichtnahme, Geduld und Gelassenheit abgelöst werden……

Buchtipp zum Thema: „Kastration und Verhalten beim Hund“ (S. Strodtbeck/U.Gansloßer, Müller Rüschlikon-Verlag)