Das Gerücht, Hunde aus dem Tierheim wären allesamt problembehaftet und schwierig, hält sich genauso hartnäckig wie viel anderer Unsinn im Umgang mit dem Hund. Hier sei gleich eingangs ganz deutlich gemacht: „Tierheimhunde kann man nicht alle über einen Kamm scheren – sie sind nicht alle pauschal gestört“.
Ich höre immer wieder von Kunden, die ihren Hund von einem Züchter haben: „Wir hatten uns auch überlegt, einen Hund aus dem Tierheim zu holen, aber wir haben es uns nicht zugetraut….“
Vor allem Ersthundehalter haben Angst einen Hund aus dem Tierheim nach Hause zu holen, weil sich eben dieses Gerücht: „Die haben ja alle einen Knacks“ immer noch in vielen Köpfen hält. Es ist in dieser Beziehung wie im richtigen Leben: Das Negative bleibt haften, das Positive geht unter. Dabei ist das Zusammenleben mit Tierheimhunden nicht zwangsläufig komplizierter und setzt nicht zwingend mehr Konsequenzen und Arbeit voraus wie bei einem Welpen, der aus einer guten Zucht stammt. Auch ein Vierbeiner aus einer sogenannten seriösen Zucht kann Probleme – sei es im Verhalten oder gesundheitlich – entwickeln.
Das, was der Tierschutz- oder Tierheimhund je nach seiner Vorgeschichte mit Sicherheit mehr braucht, als ein Welpe, der wirklich gut behütet bei einem guten Züchter die ersten Lebenswochen verbracht hat, ist mehr Zeit, Geduld und Verständnis.
Natürlich haben genug Vierbeiner, die im Tierheim auf ein neues Zuhause warten, ein „Feind-Thema“. Eine Vorgeschichte, die sie zu dem gemacht hat, was sie in diesem Moment sind. Die Gründe, die zu ihrer Zwangsumsiedlung geführt haben, oder besser gesagt, die angegeben werden, sind vielfältig: Umzug, Wechsel der Arbeitsstelle oder Arbeitszeit, oder Familientrennung. Es wird aber auch zugegeben, „keine Nerven“ mehr für den „anstrengenden Hund“ zu haben. Besonders beliebt ist die Angabe von „plötzlich aufgetretener Allergie auf Hundehaare“, auch und besonders dann, wenn der Hund schon älteren Semesters ist.
Ich möchte hier an dieser Stelle niemandem etwas unterstellen, der seinen Vierbeiner wirklich schweren Herzens in Tierheim abgegeben hat, weil es ihm wirklich unmöglich war, weiterhin sein Leben mit ihm zu teilen. Und weil es eben keine andere Möglichkeit gab, ihn unterzubringen.
Aber diese Fälle sind weitaus seltener und abgesehen davon sind viele der Begründungen und Geschichten, die bei Zwangsumsiedlung der Hunde ins Tierheim angeführt und erzählt werden, oft sehr fadenscheinig. Oder schlicht unwahr.
Aber ob das Vorleben der Vierbeiner nun bekannt ist oder nicht, spielt eigentlich keine Rolle. Der Mensch sollte ihn dort abholen, wo er steht und sich auf ihn und seine momentanen Bedürfnisse einlassen.
Das heißt aber weder, ihn übermäßig zu verhätscheln nach dem Motto. „Du armes Tier, hast schlechte Erfahrung gemacht. Jetzt sollst du es gut haben….“ noch, ihn mit übermäßigem Eifer erziehen zu wollen nach der Devise: „Nur nichts falsch machen, sonst kommt es zu Problemen…“ Und schon gar nicht, ihm mit Härte und Intoleranz zu begegnen, damit „er von vorn herein weiß, wer Chef ist“.
Zwischen all diesen Extremen sollte der goldene Mittelweg gefunden werden. Wie bei einem „normalen“ Hund auch.
Einen großen Anteil, daran, dass sich das hartnäckige Gerücht vom „schwierigen Tierheimhund“ hält, hat die Vermittlungspraxis mancher Tierheimmitarbeiter. Oft fehlt auch schlicht die Zeit, sich mit den Interessenten gründlich und ausgiebig auseinander zu setzen.
Aber leider führen auch Fehleinschätzungen des Hundes aufgrund mangelnder Fachkenntnisse der Tierheimmitarbeiter zu Fehlvermittlungen. Und ganz heiß ist es, wenn die wichtigste Frage, die den Interessenten gestellt wird, lautet: „Haben Sie ein Haus mit Garten?“.
Aber ein Garten nutzt nichts, wenn dem Vierbeiner Beschäftigung und Ansprache fehlen und er auf sich allein gestellt um das Haus herum nach Ersatzbeschäftigung sucht. Und sei es nur, die frisch eingepflanzten Blumen auszubuddeln oder den Rasen umzupflügen auf der Suche nach Kaninchen. Beides stößt in der Regel nicht auf die Begeisterung seines Menschen. Oder die am Grundstück vorbeigehenden Passanten werden unter lautem Kommentar am Zaun entlang „begleitet“. Oft sehr zum Ärger der Nachbarn. Und schon hat der Vierbeiner den Stempel “ der ist ja doch gestört…“ weg….
Die nächste wichtige Frage vor einer Vermittlung lautet: „Ist den ganzen Tag jemand zuhause?“ Es schadet einem Hund nicht, wenn er mal stundenweise allein ist. Ich meine damit keine acht bis zehn oder zwölf, sondern zwei bis vier oder fünf Stunden. Hunde ruhen naturgemäß viel (wenn sie die Gelegenheit dazu haben) und das brauchen sie auch für ihr Nervenkostüm. Wenn die Freizeit dann dem Hund gehört und sinnvoll ausgenutzt wird, hat er sehr viel mehr davon, als wenn jemand den ganzen Tag um ihn herum und doch nicht für ihn da ist. Oder der ihn den ganzen Tag bespasst….
Ich hatte und habe viele Hunde aus dem Tierschutz in meiner Hundeschule oder im Mantrailing-Training, mit und ohne „Thema“. Ich freue über jeden Hundefreund, der einem Vierbeiner aus dem Tierheim eine Chance gibt, zu zeigen, dass das Gerücht vom „gestörten Hund“ eben nur ein Gerücht ist.
Ich selbst habe alle meine Hunde – sowohl vor, wie auch während meiner Hundeschulzeit – aus dem Tierheim geholt und habe nur gute Erfahrungen mit ihnen gemacht.
© by Petra Thoma